Die sagenumwobene Lernpyramide

Vor einigen Jahren stieß ich in einer Präsentation auf die sogenannte Lernpyramide oder in Englisch Learning Pyramid oder Cone of Learning. Die Recherche und deren Ergebnisse haben mich verwundert. Meine Erkenntnisse teile ich heute gerne mit Ihnen.

Die Lernpyramide als berühmte Quelle

Oft zitiert ist nicht immer richtig

Die sehr anschauliche Pyramiden-Grafik kennen wahrscheinlich die meisten von Ihnen und sie taucht in Präsentationen und einschlägiger Literatur auf, sogar in Uni-Vorlesungen hat sie Einzug gehalten. Nun liegt die Relevanz für Trainings und überhaupt alle Lehr- und Lernformate auf der Hand: Möchte ich qualitativ hochwertig und nachhaltig lehren und lernen, sollte ich mich an der Lernpyramide orientieren. Oder?

Meine Recherche

Mythos Lernpyramide

Ich machte mich auf die Suche. Zu dem Schlagwort „Learning Pyramid“ gibt mir Google knapp 85.000.000 (in Worten: 85 Millionen!) Treffer zurück. Verwunderlich ist, dass die ersten Suchtreffer sich keineswegs mit dem historischen Ursprung und den entsprechenden Grundlagendaten aus der Studie beschäftigen, sondern Titel tragen wie Why the Learning Pyramid is wrong und Tales of the Undead. Das hat mich schon etwas verdutzt und mich weiter recherchieren lassen.

Wie es bei 85 Millionen Suchergebnissen zu erwarten/befürchten ist, gibt es zu Hauf Informationen zu dem Sinn und Unsinn der Pyramide. Dem Interessierten steht demnach ein mehrstündiger Lesespaß zur Verfügung.

Das Mysterium der Lernpyramide in drei Worten

Kein empirischer Hintergrund

Wer es lieber etwas knapper mag, der findet hier eine kurzweilige Zusammenfassung des Mysteriums: Obwohl die Lernpyramide wissenschaftlich anmutet, entbehrt sie jedoch jeglichen empirischen Hintergrund. 

Abstraktionsebenen (Hoban, Hoban, Jr. & Zisman)

Vermutlicher Anfang

Alles fing vermutlich 1937 mit dem Werk „Visualizing the Curriculum“ von Hoban/Hoban, Jr./Zisman an, die verschiedene Ebenen der Abstraktion verdeutlichten.

KORUs Blog - Lernpyramide - Hoban/Zisman

Quelle: Charles F. HOBAN, Charles F. HOBAN Jr., Samuel B. ZISMAN „Visualizing the Curriculum“, S. 23

Cone of Experience (Dale)

Mögliche Weiterentwicklung

Vielleicht auf Basis dessen entwickelte Edgar Dale 1946 den Cone of Experience, ein theoretisches Modell, das jedoch nicht speziell das Lernverhalten oder die Gedächtnisleistung abbildet. Vielleicht liegt es an der eingängigen Pyramidenform, dass sich das Modell anschließend verselbstständigt hat.

KORUs Blog - Lernpyramide - Dale

Quelle: Edgar DALE „Audio-Visual Methods in Teaching“

Von Dales Modell zur Sage

Die Lernpyramide wird geboren

In den Folgejahren wurde Dales Modell immer wieder aufgegriffen, fehlinterpretiert und mit viel Fantasie abgewandelt. Irgendwann wurden die Bezeichnungen der Stufen umgetauft und es tauchten plötzlich Prozentangaben auf, so dass die sagenumwobene Lernpyramide geboren war.

Obwohl die Pyramide oft mit Quellen versehen ist, lassen sich keine entsprechenden Ergebnisse finden, die diese Werte belegen.

Aber seien wir mal ehrlich: Auch wenn Statistik nicht unser Lieblingsfach war, die stringente Aufteilung der Werte macht doch einen etwas unwissenschaftlichen Eindruck.

KORUs Blog - Lernpyramide

Quelle: „Lernpyramide“ von Tanja Herzig

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Fazit

Nicht jede Sage ist schlecht

Nur wenn etwas oft zitiert wird und scheinbar wissenschaftlich aussieht, so muss es doch nicht wahr sein. Bei pauschalen Aussagen sollten wir lieber aufhorchen und etwas genauer hinsehen. Bei der Lernpyramide zum Beispiel: Sobald wir Gelerntes anwenden, behalten wir uns immer 90% des Inhalts – unabhängig davon, was der Inhalt ist? Das wäre ja toll! Und wir behalten, je nach Aktivitätsniveau, immer die gleiche Menge an Informationen – egal wie alt wir sind? Das wäre fantastisch!

 

Die sagenumwobene Lernpyramide ist zwar anschaulich und macht sich gut in Vorträgen und Präsentationen, sie ist und bleibt aber vor allem eins: Eine Sage.

Aber nicht jede Sage ist schlecht, wir sollten uns eben nur bewusst sein, dass sie nicht die Realität widerspiegelt. Eins muss man der Pyramide aber lassen, sie ist ja nicht von ungefähr entstanden. Die einen haben ein gutes auditives Gedächtnis, die anderen ein besseres visuelles Gedächtnis, das ist unumstritten. Aber was jeder von uns schon selbst erfahren hat ist doch, dass wir Dinge besser begreifen, wenn wir uns darüber unterhalten oder sie am besten gleich selbst tun. Das nennt man dann wohl Selbstexperiment.

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